The art of the deal?
1. Auf den Punkt gebracht
Donald Trumps Verhandlungsstil ist geprägt von Dominanzstreben, Druckaufbau und öffentlicher Inszenierung – Eigenschaften, die ihn sowohl in der internationalen Diplomatie als auch in der Wirtschaft zur polarisierenden Figur machen. Anhand medial bemerkenswerter Auftritte wie der Zoll-Tafel-Show im Rosengarten des Weissen Hauses oder den symbolträchtigen Gipfeln mit Kim Jong Un zeigt sich ein konsistentes Muster: Trump setzt extreme Anker, nutzt kalkulierte Unberechenbarkeit, emotionalisiert seine Kommunikation und spielt bewusst mit der öffentlichen Erwartungshaltung. Seine Taktik ist konfrontativ, basiert auf Machtasymmetrien und zielt auf kurzfristige Erfolge, oft auf Kosten nachhaltiger Beziehungen.
Demgegenüber stehen kooperative Verhandlungsansätze wie das Harvard-Konzept, die auf empathisches Verständnis, gemeinsame Interessen, sachliche Argumentation und den Aufbau langfristiger Vertrauensbeziehungen setzen. Solche Methoden sind im diplomatischen Kontext state of the art und ebendort deshalb wirksamer, da sie Vertrauen schaffen und wiederholte Verhandlungen auf Augenhöhe ermöglichen - und gerade in der Welt der internationalen Diplomatie sind wiederkehrende Verhandlungen zwischen denselben Partnern regelmäßig unvermeidbar.
2. Trumps Verhandlungstisch: Ein Ort der Inszenierung und Provokation
Donald Trumps Pressekonferenz vom 2.4.2025 war eines der bemerkenswertesten Medienspektakel der letzten Jahre: Eingebettet in das harmonische Ambiente des Rose Garden des Weißen Hauses zückte der amerikanische Präsident eine große Tafel, anhand derer er (angebliche) Zölle anderer Staaten zulasten amerikanischer Waren und umgekehrt die als reziproke Maßnahmen verhängten Gegenzölle der USA darstellte. Dass die Berechnung der vorgegebenen Zollschranken fremder Staaten den meisten Ökonomen bloß ein Kopfschütteln abzuringen vermochte, verkam zur Nebensächlichkeit: Hängen blieb, wie unfair die USA vom Rest der Welt behandelt würden, weshalb die USA beinahe gezwungen seien, inhaltlich teilweise horrend hohe Zölle auf die Einfuhr ausländischer Waren einzuheben. Wie der so eröffnete Zollkrieg des Jahres 2025 ausgeht, bleibt abzuwarten; Rückblicke auf andere Verhandlungssituationen aus dem Leben des exzentrischen amerikanischen Präsidenten können jedoch dabei helfen, die Verhandlungstaktik von Trump, dem selbst ernannten "Dealmaker", besser zu verstehen.
Bereits in den Jahren 2018/2019 entfesselte Trump einen Handelskonflikt mit China. Der damalige Präsident setzte früh auf maximalen Druck durch hohe Strafzölle und provozierte gezielt Unsicherheit mit widersprüchlichen Aussagen. So kündigte er etwa per Tweet an: „Trade wars are good, and easy to win“. Im Verlauf des Konflikts belegte er chinesische Importe schrittweise mit Zöllen von bis zu 145 %, woraufhin China prompt Gegenmaßnahmen ergriff. Schließlich inszenierte Trump kleinere Zugeständnisse Pekings als großen Verhandlungserfolg – etwa das „Phase-One“-Handelsabkommen von 2020, das etwa höhere US-Exportquoten nach China vorsah. Dieses Muster – maximale Forderungen, Eskalation bis an die Schmerzgrenze und anschließendes Verkaufen eines überwiegend überschaubaren Kompromisses als Triumph – zieht sich durch viele seiner Verhandlungen.
Trumps Unberechenbarkeit zeigte sich auch in den Nuklearverhandlungen mit Nordkorea. 2017 drohte er dem Regime in Pjöngjang mit „Feuer und Zorn, wie die Welt es noch nie gesehen hat“, sollten weitere Raketentests durchgeführt werden. Ein Jahr später wechselte er seine Strategie abrupt: 2018 kam es zu einem historischen Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un in Singapur. Trump überhäufte den Diktator plötzlich mit Lob und sprach von „wunderschönen Briefen“ und davon, dass die beiden sich „verliebt“ hätten – ein bemerkenswerter Schwenk von bellender Kriegsrhetorik hin zu überschwänglicher Emotionalisierung der Beziehung. Bei einem zweiten Gipfel in Hanoi 2019 brach Trump wiederum die Gespräche mit Nordkorea ab, weil dieses nicht alle US-Forderungen erfüllen wollte. „Manchmal muss man vom Verhandlungstisch aufstehen und gehen“, begründete er vor der Presse seinen Zugang, der Insidern und Lesern des Werks "the art of the deal" als Trump-Walkout bekannt ist. Während Anhänger dies als Beweis für seine Bereitschaft feierten, besser keinen Deal als einen schlechten Deal abzuschließen, werteten andere Experten den geplatzten Gipfel als diplomatischen Misserfolg. Das Beispiel Nordkorea illustriert Trumps Taktik, extreme Spannung zu erzeugen und dann medienwirksam zu entschärfen – stets begleitet von großer öffentlicher Inszenierung.
Auch gegenüber Alliierten scheut Trump nicht vor harter Verhandlungsführung zurück. Er erzwang 2018 die Neuverhandlung des NAFTA-Handelsabkommens, indem er den vollständigen Ausstieg der USA aus dem vorgenannten Abkommen androhte. Kanada und Mexiko sahen sich gezwungen, umfangreiche Zugeständnisse zu machen, was Trump schließlich als „USMCA“-Deal triumphierend verkaufte.
Ebenso brüsk ging er mit NATO-Partnern um: Auf dem Gipfel 2018 drohte Trump lautstark, die USA könnten „ihr eigenes Ding machen“, sollten die Verbündeten nicht größere Teile ihres Bruttoinlandsprodukts für ihre Verteidigung ausgeben. Tatsächlich kamen mehrere Staaten dem amerikanischen Druck nach und erhöhten ihre Verteidigungsetats in Richtung des Trumpschen Ziels von 2 % des BIP. Europas Diplomaten beschrieben Trumps Außenpolitik entsprechend als „konfrontativ“ und „transaktional“. Langjährige Bündnispartner wurden durch das mäßig diplomatische Vorgehen von Donald Trump und dessen engsten Beratern verunsichert, teils auch vor den Kopf gestoßen, was die transatlantischen Beziehungen nachhaltig belastete.
3. Trump als Verhandler: Markenkern und Methodik
Trumps Verhandlungsstil weist bei einer Analyse verschiedenster Verhandlungssituationen wiederkehrende Charakteristika auf, aus denen sich eine spezifische - teilweise in seinem Buch "the art of the deal" näher explizit angesprochene - Methodik ableiten lässt:
3.1 Extreme Anker
Trump startet Verhandlungen typischerweise mit krassen Forderungen. Zugleich setzt er Verhandlungspartner bewusst unter Druck, etwa indem er Worst-Case-Szenarien ankündigt (zB den kompletten Abbruch des zwischenstaatlichen Handels oder gar die Anwendung militärischer Gewalt, etwa bei einer möglichen Annexion Grönlands). Dieses Vorgehen, das in der Fachsprache als "ankern" bezeichnet wird, soll Verhandlungsmasse schaffen: Von einer extremen Position aus kann Trump im Verlauf weiterer Gespräche spürbar nachgeben, ohne sein Gesicht zu verlieren, während die Gegenseite das Gefühl hat, Schlimmeres abgewendet zu haben, und einen schlechten Deal vielleicht sogar als Verhandlungserfolg wahrnimmt.
Ein Beispiel derartiger extremer Anker ist die NAFTA-Neuverhandlung, bei der Trump zunächst den völligen Ausstieg der USA aus dem Abkommen androhte – ein enormer Hebel, der Kanada und Mexiko an den Verhandlungstisch zwang.
3.2 Scheinbar verrückte Unberechenbarkeit
Ein weiteres Merkmal ist Trumps Neigung, Konflikte zunächst drastisch – oft bis hart an die Grenze eines Abbruchs der Gespräche – zu eskalieren und plötzliche Wendungen vorzunehmen. Er selbst nutzt das Prinzip „Chaos als Methode“ strategisch, wie Kenner des bereits angesprochenen Buches wissen: Hierbei werden möglichst viele Themen parallel eröffnet (auch bekannt als "flooding the zone") und durch ständige Wechsel Verhandlungspartner verwirrt. Ziel des kalkulierten Informationschaos' ist es, die Gegenseite (dieser Begriff wird hier bewusst gewählt) zu verunsichern, bis sie den Überblick verliert und Wesentliches von Unwesentlichem kaum mehr zu unterscheiden vermag.
Trump versteht es wie wenige andere es, in Verhandlungen unerwartete Kehrtwenden um 180 Grad hinzulegen oder umgekehrt eine fast greifbare Einigung abrupt platzen lassen. Vorteil: Die Unberechenbarkeit kann den Druck auf die andere Seite massiv erhöhen. Gegnerische Unterhändler müssen jederzeit mit Überraschungen rechnen und können sich schlechter auf eine starre Strategie verlassen, die von hierarchisch übergeordneten Personen vorgegeben oder mit diesen akkordiert wurden. Trump liebt das Chaos als Methode, solange es kontrollieren kann.
Die bewusst eingesetzte Unberechenbarkeit, das gezielte Zick-Zack in der Verhandlungsführung, folgt der Madman Theory. Diese ist ein strategisches Konzept aus der internationalen Politik, das US-Präsident Richard Nixon, wie Trump ein Quereinsteiger auf dem Präsidentensessel, in den 1970er-Jahren bekannt gemacht hat. Sie beruht auf der Idee, dass ein Anführer absichtlich unberechenbar oder gar irrational erscheinen solle, um für Gegner nicht lesbar zu sein und bei diesen die Angst zu erzeugen, der „verrückte“ Führer ("Madman") könnte zu allem fähig sein, auch zu extremen Maßnahmen - die auch gezielt und provokativ in den Raum gestellt werden. Donald Trump versteht die Madman Theory nicht nur, er wendet sie gezieht durch kalkulierte Unvorhersehbarkeit, extreme Drohkulisse und öffentliche Inszenierung an.
3.3 Emotionalisierung und Personalisierung
Trump verhandelt nicht nüchtern-sachlich, sondern emotional und auf persönlicher Ebene. Er scheut sich nicht, sein Gegenüber verbal anzugreifen oder herabzusetzen, um dieses aus dem Gleichgewicht zu bringen. Berühmt-berüchtigt ist seine Strategie, Gegner mit abfälligen Spitznamen zu belegen (etwa „Little Rocket Man“ für Kim Jong Un, „Crazy Nancy“ für die US-Oppositionsführerin Pelosi, "Sleepy Joe" für Ex-Präsident Biden). Solche Provokationen zwingen seine Rivalen, sich mit seinen Begriffen auseinanderzusetzen und bringen sie unter Zugzwang, der Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen, dass die zweifelhaften Spitznamen tatsächlich gar nicht zutreffen.
Gleichzeitig bedient Trump die Emotionen seines eigenen Publikums, um Unterstützung zu evozieren. Auf der anderen Seite zeigt er umgekehrt gezielte, ja übertrieben wirkende Schmeichelei, wenn es opportun scheint; Staatschefs wie Xi Jinping oder Kim Jong Un wurden abwechselnd scharf attackiert und dann wieder mit Lob überschüttet. Dieses launische Wechselspiel zwischen Konfrontation und Charme ist ein Markenzeichen von Trumps Stil und eine Spielart seiner Unberechenbarkeit.
Durch Emotionalisierung schafft der amerikanische Präsident eine Verhandlungsatmosphäre, in der rationale Abwägungen mitunter in den Hintergrund treten. Er zieht den Streit auf eine persönliche Ebene, auf der er sich instinktiv wohlfühlt und Gegner aus dem Konzept bringen kann. Nicht zum Nachteil dürfte ihm bei dieser Personalisierung seine stattliche Größe von 190 cm (womit er der drittgrößte Präsident der Geschichte der USA ist) bei einem Gewicht von knapp über 100 Kilo kommen, durch die er bereits physisch Raum einnimmt und eine Stellung von Übermacht ausstrahlt; der verbleibende Raum wird verbal rasch in Anspruch genommen.
Viele seiner Anhänger schätzen zudem den Anschein von Authentizität, der durch Trumps emotionale Ausbrüche geweckt wird. Dabei dürften gerade medial ins rechte Licht gerückte Gefühlsausbrücke von Trump oftmals nicht authentisch-menschlich, sondern kühl geplant worden sein.
3.4 Streben nach Dominanz
Verhandlungsgegenstände können distributiv angegangen werden, indem ein vorgegener Verhandlungskuchen so aufgeteilt wird, dass jede Partei versucht, das größte Stück des Kuchens zu erlangen. Distributive Verhandlungen werden als Nullsummenspiel angesehen, in dem es einen Gewinner und einen Verlierer gibt. Diese Sichtweise nimmt Trump im Regelfall ein; er spiele hart, um zu gewinnen, wie sein langjähriger Anwalt George Ross es ausdrückte.
Hierbei ist ein starker persönlicher Ego-Faktor im Spiel: Trump verlangt von Verhandlungspartnern Respekt und Anerkennung seiner Überlegenheit. Interessanterweise zeigt sich, dass er bereit ist, inhaltliche Konzessionen zu machen, wenn sein Ego befriedigt wird. Thomas Kochan analysierte Trumps frühe Deals als Präsident dahingehend, dass Trump sich mit kleinen Zugeständnissen zufrieden gab, solange sie mit ausreichender Unterwerfung und schmeichelhafter Beachtung einherging (Kocha, T: Trumps Lessons for Business Negotiators [2019]; Kocha, T: Trump’s Negotiating Style as President-Elect [2025]). Diese (und andere) Beobachtungen korrelieren mit der mehrfach berichteten Ferndiagnose von Wissenschaftern, die Trump eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur bescheinigen (Glenza, J. in The Guardian vom 24.10.2024).
3.5 Mediale Inszenierung und das Spiel mit der öffentlichen Erwartungshaltung
Verhandlungen werden von Trump auffallend häufig von der üblichen Diskretion diplomatischer Vertraulichkeit auf die öffentliche Bühne gehoben: man denke an die 45-minütige Inszenierung bilateraler Gespräche zwischen Selenski einerseits sowie Trump und JD Vance andererseits am 28.2.2025.
„Verhandlungen sind ein Bühnenstück“, schrieb Trump einst, und spielt dabei gerne die Hauptrolle. Anstatt diskret hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, setzt Trump auf den direkten Draht zu den Massen, der weniger oft durch klassische Medien als durch regelmäßiges twittern auf "X" oder der hauseigenen Plattform "truth social" hergestellt wird. Klassische diplomatische Kanäle wie Pressemitteilungen erweisen sich als Mittel zweiter Wahl, bisweilen werden Berichte nicht willkommener Medien als "fake news" diskreditiert, ohne diese kühne Behauptung auch nur ansatzweise belegen zu können.
Indem Trump darum bemüht ist, Kontrolle über das Narrativ zu erlangen und behalten, kann er die Deutungshoheit über den Verhandlungsstand erlangen und Erwartungen steuern. Zugleich versteht es Trump, sich je nach Bedarf als beinharter Verhandlungsführer (Gespräche Selenski/Trump im Weißen Haus vom 28.2.2025), wenig später wieder als großzügige helfende Hand zu inszenieren (Gespräche Selenski/Trump anlässlich des Begräbnisses des Papstes vom 26.4.2025). Beiden vorgenannte Verhandlungssituationen wohnte eine gezielte Steuerung der öffentlichen Wahrnehmung inne, sie wirkten beinahe gestaged: Ende Februar 2025 noch wird ukrainische Präsident wohl ganz bewusst - auf fremdem Terrain des Weißen Hauses - nicht nur durch das Ungleichgewicht zwischen Vertetern der amerikanischen und der ukrainischen Seite, sondern auch durch die stete Anwesenheit einer Vielzahl an Journalisten und ein ständiges Blitzlichtgewitter, gezielt unter Stress gesetzt wurde. Fast genau zwei Monate später gehen Bilder eines anscheinend amikalen Gesprächs in heiligen Wänden, die bereits implizit Ruhe und Würde ausstrahlen, um die Welt, die den amerikanischen und den ukrainischen Präsidenten nach vorne gebeugt und so im übertragenen Sinn auf einander zugehend stilvoll in Szene setzen.
3.6 Zwischenergebnis
Die zentralen Verhandlungsmerkmale des aktuellen amerikanischen Präsidenten sind für das diplomatische Parkett ungewöhnlich: Kein US-Präsident vor ihm (mit Ausnahme der Präsidentschaft Trump I) hat diplomatische Normen so offen missachtet und einen das Ergebnis distributiver Verhandlungen bildenden „Deal“ so sehr in den Mittelpunkt gestellt, wie Donald Trump .
Tatsächlich beruht die Anwendung findende Verhandlungsstrategie auf klassischen Hardball-Techniken, wie diese überwiegend bis zum Beginn der 1980er-Jahre und dem Aufkommen der Verhaltens- und Verhandlungspsychologie vorherrschte.
Hardballing ist eine konfrontative Verhandlungstaktik, mit der eine Seite versucht, ein hierarchisches Gefälle aufzubauen oder auszuspielen und maximalen Vorteil auf Kosten der Gegenseite zu erzielen. Hardball-Techniken zeichnen sich dadurch aus, nicht kooperativ zu sein, sondern zielen darauf ab, sich das größte Stück eines vorgegebenen Verhandlungskuchens zu sichern, indem etwa überzogene initiale Forderungen gestellt, Ultimaten und Drohungen eingesetzt, überzogener Zeitdruck aufgebaut, verschiedene Verhandlungspartner manipulativ gegeneinander ausgespielt und good cop / bad cop-Situationen inszeniert werden. Aufgrund ihres destruktiven Charakters finden derartige Techniken heutzutage primär in der Business-Welt Anwendung, wenn singuläre Verhandlungen stattfinden und mit anderen Worten der Aufbau einer zukunftsgerichteten, wechselseitigen Vertrauensbeziehung auf Augenhöhe unwesentlich ist. Das zeigt implizit den Nachteil von Hardball-Taktiken: Sie bergen das Risiko eines raschen Vertrauensverlustest auf Seiten des Verhandlungspartners und gefährden eine tragfähige, langfristige Geschäftsbeziehung.
Damit stellt sich die Frage: Gibt es alternative Verhandlungsansätze, die wirksamer sind?
4. Alternative Verhandlungszugänge: Harvard und vergleichbare Konzepte
Trumps konfrontative Taktik lässt sich deutlich unterscheiden von kooperativen Verhandlungsansätzen, wie dieses insbesondere dem Harvard Konzept zugrunde liegt, unterscheiden.
4.1 Das Gegenüber als Partner, nicht Gegner
Das zeigt sich bereits im grundlegenden Verständnis einer Verhandlungssituation. Donald Trump und andere Vertreter des Hardballing betrachtet Verhandlungen als Kampf um das beste Ergebnis für sich selbst. Das Gegenüber ist Gegner, nicht Partner. Dieser konkurrenzbetonten Sicht steht allen voran das Harvard-Konzept gegenüber, das Verhandlungspartner als Problemlöser auf Augenhöhe sieht. Die beiden Autoren des Klassikers "getting to yes", Roger Fisher und William Ury, empfahlen in ihrem bahnbrechenden Werk bereits im Jahr 1981, Interessen statt Positionen in den Mittelpunkt zu stellen und gemeinsam nach Win-Win-Lösungen zu suchen, indem der Verhandlungskuchen gemeinsam vergrößert wird, auf dass am Ende beide Parteien größere Kuchenstücke erhalten, als hätten sie in einem konfrontativen Aufteilen eines vorgegebenen Verhandlungskuchens gegebene Anteile untereinander erstritten.
4.2 Empathie statt Konfrontation
Der eher konfrontative als konsensorientierte Zugang zeigt sich zudem am Kommunikationsstil. Während Trump mit Lautstärke, Forderungen und teilweise Einschüchterung arbeitet, legen kooperative Ansätze großen Wert auf aktives Zuhören, konsequentes Fragenstellen und einen von Empathie getragenen persönlichen Zugang. Chris Voss, einer der bekanntesten zeitgenössischen Verhandlungstrainer und berufsmäßigen Verhandler, lehrt die Technik der "taktischen Empathie", bei der man die Gefühle und Perspektiven der Gegenseite bewusst anspricht, um Vertrauen aufzubauen. Trumps konfrontativer Stil hingegen lässt Einfühlungsvermögen oft vermissen; er fokussiert auf die eigene Position und ignoriert die Bedürfnisse des anderen. Kooperative Verhandler versuchen hingegen, durch Wertschätzung und Verständnis eine Atmosphäre zu schaffen, in der der andere bereitwillig einen Schritt auf einen zu macht, im Vertrauen darauf, dass man umgekehrt einen Schritt auf den anderen zugeht.
4.3 Einmal und nie wieder?
Wenig überraschend stellen Hardballing und Softballing unterschiedliche Zeithorizonte in den Mittelpunkt des strategischen Vorgehens. Die Verhandlungsstrategie des amerikanischen Präsidenten ist in der Regel auf sofortigen, oftmals bloß kurzfristigen Erfolg ausgerichtet. Trump möchte am Ende des Tages verkünden können, dass er einen „great deal“ gemacht hat, selbst wenn die Umsetzung oder die Dauerhaftigkeit verkaufter Erfolge fraglich sind. Konsensualisten wägen hingegen ab, wie sich ein Kompromiss auf die langfristige Beziehung auswirkt, und akzeptieren auch mal einen kleineren unmittelbaren Gewinn, wenn dafür eine langfristige Partnerschaft etabliert wird, in der über längere Zeit wiederkehrende Verhandlungserfolge möglich ist. Trumps Ansatz erzielte zwar schnelle Schlagzeilen, doch viele große Erfolgsmeldungen erwiesen sich als wenig nachhaltig: Auf Nordkoreas Denuklearisierung wartet man vergeblich, wenngleich eine solche von Trump und Kim-Jong Un im Jahr 2018 in beinahe freundschaftlicher Einigkeit verkündet wurde.
4.4 Sachargumente statt Druck
Wer eine langfristig tragfähige Beziehung aufbauen möchte, die von Vertrauen und Übereinstimmung getragen ist, wendet andere Techniken an, als jemand, der einen kurzfristigen Erfolg selbst bei erheblichen Kollateralschäden anstrebt. Trumps Werkzeugkasten besteht demgemäß aus Druckmitteln – Zölle, Drohungen, Ultimaten, Gesprächsabbrüche. Er verlässt sich auf Machtasymmetrien: „Gewinnen“ heißt für ihn, dass der andere nachgibt. Ein Harvard-Verhandler würde versuchen, Sach- und Beziehungsebene zu trennen und auf Sachebene zu Lösungen zu finden. Das kann etwa dadurch gefördert werden, als objektive Kriterien (etwa Marktpreise) herangezogen werden, um faire Lösungen zu finden. In Trumps Verhandlungen werden objektive Argumente hingegen oft zur Nebensache; er dominierte die Debatte mit seiner eigenen, für Außenstehende mitunter nur schwer nachvollziehbaren Logik. Der Unterschied zeigte sich etwa im historischen Vergleich der wiederkehrenden Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran über das Atomprogramm des Letztgenannten: Trumps Ansatz war es bisher, maximalen Sanktionsdruck aufzubauen, während die kooperative, multilaterale Methode des Obama-Abkommens darin bestand, gegenseitige Zugeständnisse entlang klarer Kontrollkriterien auszuhandeln.
5. Abschließende Gegenüberstellung und Einschätzung
Welche Methode der Verhandlungsführung ist nun erfolgreicher? Diese Frage lässt sich nicht einheitlich und losgelöst von Verhandlungsgegenstand, Ziel- und Voraussetzungen beurteilen.
Hardballing kann wirksam sein, wenn ein Machtungleichgewicht zugunsten einer Seite besteht und optimalenfalls eine einmalige Transaktionen gegenständlich ist, bei der die weitere Beziehung nach dem Abschluss eines Deals irrelevant ist, weil man seinem Gegenüber nie wieder in einer Verhandlungssituation gegenüber sitzen wird. Verhandlungsmethoden à la Trump finden sich daher weitaus häufiger im Geschäftsleben als in der internationalen Diplomatie - bereits deshalb, weil es viel mehr potenzielle Verhandlungspartner im Businessleben gibt, mit denen man Geschäfte abschließen kann, wenn solche mit einer anderen Person nicht mehr erfolgversprechend sind, da verbrannte Erde hinterlassen wurde. Demgegenüber ist der Kreis der Verhandlungspartner bereits dadurch eng eingegrenzt, als es auf der ganzen Welt knapp 200 Staaten und ebensoviele Staatsoberhaupte gibt: Hier sieht man sich nicht nur zweimal, sondern regelmäßig.
Langfristig gelten kooperative Methoden des Softballing als nachhaltiger. Sie zielen darauf ab, Beziehungen zu erhalten und sogar zu stärken, sodass zukünftige Verhandlungen einfacher werden. Trumps bilaterale Power-Deals hinterließen dagegen häufig einen schalen Beigeschmack, der künftige Gespräche erschwert. Kooperative Strategien sind besonders in komplexen, wiederholten Verhandlungssituationen überlegen: Sie legen Wert auf Geduld, Flexibilität und Kreativität, um auch bei Widerständen neue Lösungen zu finden, die möglicher Weise anfangs keiner der Verhandlungspartner angedacht hatte. Voss betont, wie wichtig es ist, dem Gegenüber das Gefühl von Kontrolle zu geben und durch geschickte Fragen gemeinsam zum Ergebnis zu kommen, statt ihn mit Ultimaten zu überfahren. Solche Techniken führen oft zu verlässlicheren Vereinbarungen, weil beide Seiten sich darin wiederfinden und das Ergebnis aus freien Stücken akzeptieren, nicht zähneknirschend unter untragbarem Druck.
Zusammengefasst steht Trumps Verhandlungsstil prototypisch für das, was Verhandlungsexperten eine distributive Taktik nennen: das Aufteilen eines gegebenen Kuchens mit harten Bandagen, während kooperative Ansätze integrative Taktiken nutzen, um eine win-win-Situation für alle zu schaffen. Harte Verhandlungstaktiken mögen Trump Erfolge im Geschäftsleben gebracht haben, ihr Potenzial, langfristig tragfähige Lösungen auf dem internationalen Parkett zu erzielen, ist beschränkt. Diplomatie erfordert Dialogfähigkeit, kulturelles Feingefühl und strategische Weitsicht - Eigenschaften, die den kooperativen Verhandlungsmethoden zugrunde liegen, nicht den distributiven.
6. Wir helfen Ihnen weiter
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