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Genossenschaft: Die wenig bekannte Rechtsform

1. Auf den Punkt gebracht

Die Genossenschaft ist eine in Österreich wenig bekannte und vorherrschende Gesellschaftsform, wenngleich sie mehrere Vorteile mit sich bringt. Wie die GmbH ist sie eine juristische Person, hat ein eingeschränktes Haftungsrisiko für ihre Mitglieder und eine professionelle innere Struktur. Die Genossenschaft ist jedoch ähnlich wie der Verein – aufgrund der fehlenden Notariatspflicht und Kapitalvorgaben – vergleichsweise schnell und günstig gegründet. Mitglieder können ohne größeren Aufwand bei- und austreten.

Eine Genossenschaft ist besonders gut für Tätigkeiten geeignet, bei denen die Mitglieder gemeinsam wirtschaftliche Vorteile erzielen oder sich gegenseitig unterstützen. Dabei muss die Genossenschaft immer einem Förderzweck dienen und darf nicht ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sein. Das kann beispielsweise bei Energiegenossenschaften, land- und forstwirtschaftlichen Genossenschaften, Einkaufsgenossenschaften oder Wohnbaugenossenschaften der Fall sein.

2. Was ist eine Genossenschaft?

Mit den Worten „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“ und „Mehrere kleinere Kräfte vereint bilden eine große“ beschrieben Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch, zwei der Pioniere der Genossenschaftsbewegung, sehr treffend das Wesen der Genossenschaft. Die Genossenschaft ist nämlich eine Gesellschaftsform, in der sich regelmäßig eine größere Anzahl von Personen zusammenschließt, um ein Unternehmen zu betreiben oder gewissen anderen Tätigkeiten nachzugehen.

Nach dem österreichischen Genossenschaftsgesetz ("GenG") ist die Genossenschaft eine Personenvereinigung mit Rechtspersönlichkeit von nicht geschlossener Mitgliederanzahl, die im Wesentlichen der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient. Nach dieser Beschreibung ist eines der wesentlichen Merkmale der Genossenschaft ihr Zweck, nämlich die Förderung der wirtschaftlichen Belange ihrer Mitglieder (Stichwort: Förderprinzip). Egal ob Wohnungs-, Kredit-, Konsum-, Produktiv-, Kauf, Verkauf- oder Warengenossenschaft, die Genossenschaft kann diesen Zweck in verschiedensten Formen verfolgen. Es kann sich beispielsweise um einen Zusammenschluss von Konsumenten handeln, um kostengünstige Waren und Dienstleistungen zu beziehen, etwa Wohnungen, Kredite oder sonstige Konsumgüter des täglichen Lebens . Genauso können Mitarbeiter eines Unternehmens dieses in Form einer Genossenschaft gemeinsam betreiben, zum Beispiel in dem sie den insolventen bzw. sonst zum Verkauf stehenden Betrieb übernehmen. Die Genossenschaft bietet insbesondere Klein- und Mittelunternehmen die Möglichkeit, gemeinschaftlich benötigte Waren zu kaufen, eigene Produkte zu verkaufen, zu produzieren oder zu vermarkten und so mit der Konkurrenz am Markt durch größere Player mithalten zu können.

Aufgrund des Förderauftrags darf die Genossenschaft nicht primär auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein. Das bedeutet nicht, dass sie überhaupt keine Gewinne machen darf, jedoch dürfen sie nicht zum Selbst- und Hauptzweck der Genossenschaft werden. Genauso darf die Genossenschaft nicht in erster Linie auf ideelle Zwecke ausgerichtet sein. Sie unterscheidet sich in diesem Punkt sowohl von der GmbH als auch vom Verein. Erstere darf rein auf Gewinnerzielung aus sein, zweiterer darf es nur zum Ziel haben, ideelle Zwecke zu verfolgen. DIe Genossenschaft steht zwischen diesen beiden Extremen.

Ein weiteres wichtiges Merkmal der Genossenschaft ist, dass sie eine juristische Person ist. Sie besitzt damit Rechtspersönlichkeit. Das bedeutet, die Genossenschaft kann wie eine natürliche Person, eine GmbH, eine OG oder ein Verein am Rechtsleben teilnehmen. Sie kann – durch ihre Organe – Verträge abschließen, Eigentum erwerben oder auch klagen bzw. geklagt werden. Es ist dabei stetes zwischen den Rechten und Pflichten der Genossenschaft und den ihrer Mitglieder zu unterscheiden. Wenn etwa eine Wohnungsgenossenschaft ein Grundstück erwirbt, schließt sie selbst den Kaufvertrag ab, wird Eigentümer des Grundstückes und schuldet den Kaufpreis – und nicht ihre Mitglieder oder Organe.

3. Die Mitglieder der Genossenschaft

Ihrem Zweck entsprechend besteht eine Genossenschaft aus mindestens zwei Mitgliedern, welche sowohl natürliche als auch juristische Personen oder Personengesellschaften sein können. Da die Genossenschaft im Gegensatz zur GmbH kein starres Nennkapital hat, können neue Mitglieder ohne größeren Aufwand einfach durch eine schriftliche Beitrittserklärung aufgenommen werden. Es ist dafür weder die Mitwirkung eines Notars, noch eine Eintragung der Mitglieder im Firmenbuch notwendig. Die Mitgliederanzahl einer Genossenschaft ist daher grundsätzlich offen, kann aber in den Statuten auf eine gewisse Anzahl und auf bestimmte Personengruppen (zum Beispiel bestimmte Berufsgruppen) beschränkt werden.

4. Der Revisionsverband

Jede Genossenschaft ist verpflichtend Mitglied in einem sogenannten Revisionsverband. Dieser prüft mindestens jedes zweite Jahr (bei größeren Genossenschaften jährlich) nicht nur die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses, sondern auch die Zweckmäßigkeit der tatsächlichen Geschäftsführung. Insbesondere wird dabei auf die Erfüllung des Förderungsauftrags und die Wirtschaftlichkeit, die Zweckmäßigkeit, den Stand und die Entwicklung ihrer Vermögens-, Finanz- und Ertragslage geblickt.

Die Prüfung bei Genossenschaften ist umfangreicher, als etwa bei einer Aktiengesellschat, bei welcher nur die Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses, nicht aber die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit überprüft wird. In der Praxis hat sich dieses System bewährt: Genossenschaft sind für ihre niedrigen Insolvenzraten bekannt und gelten  als eine der wirtschaftlich sichersten Gesellschaftsformen für ihre Mitglieder und Gläubiger.

5. Wie gründet man eine Genossenschaft?

Die Gründung einer Genossenschaft erfolgt vergleichsweise leicht und schnell. In erster Linie benötigt es dafür den Abschluss eines Genossenschaftsvertrages, der sogenannten Statuten. Diese müssen gemäß dem GenG verpflichtend gewisse Punkte regeln, wie beispielsweise den Sitz, den Gegenstand des Unternehmens, den Ein- und Austritt der Mitglieder, die Organe oder auch die Gewinnverteilung. Der Abschluss der Statuten muss in Schriftform geschehen, es benötigt dazu jedoch - im Gegensatz zur GmbH - keines Notariatsakts. Anschließend ist die Genossenschaft beim Firmenbuch anzumelden. Liegt eine Zusicherung zur Aufnahme in einen Revisionsverband vor, darf die Genossenschaft im Firmenbuch eingetragen werden, womit die Genossenschaft entsteht. Der Firmenname der Genossenschaft hat dabei die Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft“ (kurz "e.Gen.") zu enthalten.

Anders als bei der GmbH ist bei der Genossenschaft ein Mindestkapital nicht gesetzlich vorgeschrieben, weshalb die Gründung einer Genossenschaft vergleichsweise kostengünstig sein kann.

6. Welche Organe hat die Genossenschaft?

Wie bereits ausgeführt, handelt die Genossenschaft als juristische Person durch ihre sogenannten Organe. Nach dem GenG sind diese bei der Genossenschaft ein Vorstand, eine Generalversammlung und unter Umständen ein Aufsichtsrat. Alle Mitglieder der Organe müssen grundsätzlich auch Mitglieder der Genossenschaft sein (Selbstverwaltung).

Der Vorstand kann aus einem oder mehreren Mitgliedern bestehen, welche von der Generalversammlung bestellt werden und auch jederzeit abberufen werden können. Die Kompetenz zur Bestellung des Vorstandes kann auch auf den Aufsichtsrat übertragen werden. Der Vorstand führt die Geschäfte der Genossenschaft und vertritt diese nach außen. Weiters hat er insbesondere dafür zu sorgen, dass ein ordnungsgemäßes Rechnungswesen geführt wird, dem Aufsichtsrat zu berichten sowie Weisungen der Generalversammlung auszuführen.

Die Generalversammlung ist das höchste Organ der Genossenschaft und dient der gemeinsamen Willensbildung der Genossenschaftsmitglieder. Die Mitgliederversammlung wird normalerweise durch den Vorstand einberufen. Jedes Mitglied der Genossenschaft ist teilnahmeberechtigt und hat, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen, eine Stimme (Demokratieprinzip). Ab einer Mitgliederzahl von 500 können die Statuten vorsehen, dass von den Mitgliedern Abgeordnete gewählt werden.

Beschlüsse werden mit absoluter Mehrheit gefasst, bei „größeren“ Entscheidungen wie etwa der Änderung der Statuten bedarf es einer 2/3-Mehrheit. Die Mitgliederversammlung kann dem Vorstand Weisungen erteilen, sie hat über die Zustimmung zu bestimmten Geschäften zu entscheiden, den Jahresabschluss, den Bericht des Vorstandes sowie die Entlastung zu genehmigen sowie über die Ergebnisverwendung zu bestimmen.

Ein Aufsichtsrat ist von der Mitgliederversammlung zu wählen, wenn die Genossenschaft dauerhaft mindestens 40 Arbeitnehmer beschäftigt. Er hat aus zumindest drei Mitgliedern zu bestehen. Die primäre Aufgabe des Aufsichtsrates ist die Überwachung des Vorstandes. Er kann von diesem Berichte verlangen, ihm vorläufig Befugnisse entziehen und übernehmen, in die Bücher Einsicht nehmen, die Rechnungslegung und Gewinnverteilungsvorschläge prüfen sowie seine notwendige Zustimmung zu gewissen Geschäften erteilen.

7. Wer haftet in der Genossenschaft?

Durch das erst kürzlich beschlossene Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz kann seit dem 1.1.2025 grundsätzlich nur mehr die Genossenschaft selbst mit ihrem Vermögen für Schulden der Genossenschaft haften. Die Genossenschaftsmitglieder trifft keine persönliche Haftung. Sie sind nur im Fall des Konkurses oder der Liquidation der Genossenschaft verpflichtet, ausstehende Einlagen einzuzahlen oder vereinbarte Nachschüsse zu leisten. Die Höhe der von den Genossenschaftsmitgliedern dann zu zahlenden Nachschüsse ist in den Statuten zu regeln. Eine Nachschusspflicht kann jedoch in den Statuen auch gänzlich ausgeschlossen werden, was bedeutet, dass die Mitglieder im Fall des Konkurses oder der Liquidation der Genossenschaft schlussendlich nur mit ihrer einmal geleisteten Einlage haften.

Vor der Neuregelung durch das Genossenschaftsrechts-Änderungsgesetz gab es auch die Möglichkeit, eine Genossenschaft mit unbeschränkter persönlicher Haftung der Mitglieder zu gründen. Diese wurde jedoch in der Praxis nicht in Anspruch genommen und nunmehr abgeschafft.

Im Gegensatz zu einer Offenen Gesellschaft ist somit bei der Genossenschaft, ähnlich zu einer GmbH oder einem Verein, das Haftungsrisiko der einzelnen Mitglieder stark eingeschränkt.

8. Wie wird eine Genossenschaft steuerlich behandelt?

Die steuerliche Behandlung der Genossenschaft ähnelt jener der Kapitalgesellschaften. Die Genossenschaft unterliegt mit ihrem Einkommen der Körperschaftsteuer in Höhe von 23 Prozent. Auf Ausschüttungen von Gewinnen der Genossenschaft an ihre Mitglieder - die, wie zu Beginn ausgeführt, in einem gewissen Rahmen zulässig ist - fällt Kapitalertragssteuer in Höhe von 27,5 Prozent ab. Ebenso ist die Genossenschaft für ihre Warenlieferungen und Dienstleistungen umsatzsteuerpflichtig, sofern nicht die Kleinunternehmerregelung anwendbar ist.

Der wichtigste Unterschied der Genossenschaft zu einer GmbH ist, dass die Genossenschaft keiner Mindestkörperschaftsteuer unterliegt. Sie muss daher, wenn sie in einem Wirtschaftsjahr keinen Gewinn erzielt, auch keine Körperschaftsteuer zahlen.

9. Wir helfen weiter

Egal, ob Sie eine Genossenschaft gründen möchten oder als Vorstandsmitglied oder Mitglied rechtliche Fragen haben – wir stehen Ihnen mit unserer umfassenden Expertise im Genossenschaftsrecht zur Seite. Von der Gründung über Satzungen bis hin zur Haftung und steuerlichen Behandlung: Wir beraten Sie individuell und praxisnah.

 

 

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