Sturmschäden: Wer haftet, wenn ein Baum auf das Nachbargrundstück stürzt?
1. Auf den Punkt gebracht
Die Auswirkungen des Klimawandels sind immer deutlicher spürbar, und Extremwetterereignisse nehmen zu. Neben Hitze, Dürren und Waldbränden treten auch Unwetter wie Stürme, Starkregen und Hagel vermehrt auf. In solchen Zeiten stellen sich auch immer häufiger rechtliche Fragen: Was passiert, wenn ein Baum oder Äste herabfallen und am Nachbargrundstück eine Person verletzen oder eine Sache beschädigen?
Mit 1.5.2024 trat eine neue Regelung zur sogenannten „Baumhaftung“ in Kraft, die eine verhältnismäßig weitgehende Haftung von Baumhaltern nach der alten Rechtslage durch einschränkende Haftungsvoraussetzungen abfedert. Demnach haftet der Baumhalter, wenn durch das Umstürzen eines Baumes oder durch das Herabfallen von Ästen Personen- oder Sachschäden entstehen und er diese durch Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes verursacht hat. Die bisher geltende Beweislastumkehr zulasten des Baumhalters entfällt.
2. Haftung für Schäden bis zum 30.4.2024
Für Schäden, die durch das Umstürzen eines Baumes oder das Herabfallen von Ästen bis zum 30.4.2024 entstanden sind, gilt folgende "alte" Rechtslage: Entscheidend war, ob der Baum einen Mangel aufwies. Ein solcher lag vor, wenn aufgrund des Zustands des Baumes eine besondere Gefahr von diesem ausging. Die Rechtsprechung bejahte einen Mangel beispielsweise bei mechanischen Verletzungen, Krankheiten, unzureichender Wurzelbildung oder unter Umständen bei abnormem Wuchs. Auch ein an sich gesunder Baum konnte als mangelhaft angesehen werden, wenn er aufgrund vorangegangener Rodungsarbeiten eine erhöhte Anfälligkeit für Entwurzelungen bei Sturm aufwies (2 Ob 193/09k; 2 Ob 50/20x).
Der Baumhalter musste den Beweis erbringen, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Sorgfalt angewendet hatte (Beweislastumkehr). Er musste somit im Haftungsprozess nachweisen, alle Vorkehrungen getroffen zu haben, um einen Schadenseintritt durch einen Baum verhindert zu haben, die vernünftigerweise nach den Umständen von ihm erwartet werden konnten (RIS-Justiz RS0030035; 2 Ob 50/20x). Diese Beweislastumkehr führte unter Baumhaltern bisweilen zu einer gewissen Angst vor einer weitgehenden Haftung.
Das soeben beschriebene Haftungsregime gründete darauf, dass das österreichische Bürgerliche Recht keine spezifischen Regelungen für umstürzende Bäume oder herabfallende Äste enthielt, sodass die Judikatur gesetzliche Regelungen auf Baumschäden anwandte, die eigentlich auf mangelhafte Bauwerke abstellen - und nicht auf Pflanzen. Mit 1.5.2024 trat nunmehr eine neue gesetzliche Regelung in Kraft, die explizit Bäume zum Gegenstand hat (§ 1319b ABGB). Sie gilt für Schadensereignisse, die nach dem 30.4.2024 eingetreten sind.
3. In welchen Fällen greift die neue Haftungsregel ein?
Eine Haftung nach § 1319b ABGB kommt nach der aktuellen Rechtslage grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn durch das Umstürzen eines Baumes oder das Herabfallen von Ästen ein Mensch getötet oder an seinem Körper oder seiner Gesundheit verletzt wird oder eine Sache beschädigt wird (Personen- und Sachschäden). Andere Schadensfälle im Zusammenhang mit Bäumen, beispielsweise der Sturz eines Arbeiters beim Zurückschneiden von Ästen, der Aufprall eines Skifahrers gegen einen Baum oder ein Schaden durch herabfallendes Obst, sind davon nicht erfasst und nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, nicht nach der Sondernorm des § 1319b ABGB.
Die „Baumhaftung“ gilt außerdem nicht für Bäume in einem Wald, für die die haftungsrechtlichen Vorschriften des Forstgesetzes maßgeblich sind (ErlRV 2462 BlgNR XXVII. GP, S. 1f).
4. Wer haftet bei Schäden durch umgestürzte Bäume?
Als haftende Person kommt der sogenannte Halter des Baumes in Betracht. Baumhalter ist die Person, die die Verfügungsmacht über den Baum besitzt und damit auch die Möglichkeit zur Gefahrenabwehr (RIS-Justiz RS0030011). In der Regel ist dies der Eigentümer oder Pächter des Grundstücks, auf dem sich der Baum befindet (ErlRV 2462 BlgNR XXVII. GP, S. 5).
5. Wann haftet der Baumhalter für Sturmschäden?
Kommt es durch das Umstürzen eines Baumes oder das Herabfallen von Ästen zu einem Personen- oder Sachschaden, haftet der Baumhalter für den Schaden, wenn er diesen durch Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung des Baumes verursacht hat. Der Gesetzgeber hat dazu einige Kriterien aufgestellt, die für die Beurteilung der Sorgfaltspflicht relevant sind. Die Sorgfaltspflicht des Baumhalters hängt insbesondere von folgenden Faktoren ab:
- Standort und Gefahrensituation: Ein Baum in der Nähe eines Kinderspielplatzes oder einer stark befahrenen Straße stellt eine größere Gefahr dar als ein Baum in einem wenig genutzten Hinterhof oder in der freien Natur abseits von Wegen.
- Größe, Wuchs und Zustand des Baumes: Große, alte oder kranke Bäume oder Bäume, deren Wachstum zu einer verminderten Stand- und Bruchfestigkeit geführt hat, sind als gefährlicher einzustufen als junge, gesunde Bäume mit „normalem“ Wachstum.
- Zumutbarkeit von Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen: Hierzu zählen optische Kontrollen, das Zurückschneiden, technische Stabilisierungen oder auch Absperrungen und Warnhinweise für Personen im Nahbereich. Die Zumutbarkeit dieser Maßnahmen hängt auch davon ab, ob es sich beim Baumhalter um die öffentliche Hand oder um Privatpersonen handelt (ErlRV 2462 BlgNR XXVII. GP, S. 6f).
Besteht ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand des Baumes, wie etwa bei einem Naturdenkmal, in Nationalparks oder sonstigen Schutzgebieten, so ist das bei der Beurteilung der dem Baumhalter zumutbaren Maßnahmen angemessen zu berücksichtigen. In solchen Fällen sind unter Umständen eher alternative Maßnahmen zur Schadensabwehr, etwa Absperrungen oder Zutrittsbeschränkungen, einem Zurückschneiden des Baumes vorzuziehen. Gegebenenfalls kann sich der Baumhalter auf die Abwendung von Akutgefahren beschränken, beispielsweise durch Anbringung eines Schildes mit einem Warnhinweis für Passanten (ErlRV 2462 BlgNR XXVII. GP, S. 7).
7. Wir helfen weiter
Egal, ob durch das Umstürzen Ihres Baumes oder das Herabfallen von Ästen ein Schaden entstanden ist oder ob Sie von einem solchen Schaden durch einen Baum Ihres Nachbarn betroffen sind – zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren! Wir unterstützen Sie bei der Geltendmachung von Schadenersatz oder bei der Abwehr nicht gerechtfertigter Forderungen dritter Personen.
Schmelz Rechtsanwälte OG