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Insolvenzrecht in Österreich und Deutschland: Ein Vergleich

1. Auf den Punkt gebracht

Was haben die Kaufhausketten Galeria Kaufhof und KaDeWe, die Möbelhändler Kika und Leiner, die Baumarktkette BauMax, die Einzelhändler Depot und The Body Shop, die Gewandketten Peek & Cloppenburg und Esprit, der Immobilienkonzern der SIGNA-Gruppe, der Motorradhersteller KTM und der Autohersteller Fisker gemeinsam? Sie alle mussten in diesem oder im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden - und die Liste an namhafter Unternehmen, die wirtschaftlich nicht mehr die Kurve gekratzt haben, ließe sich noch lange fortsetzen.

In Österreich wurden im Jahr 2023 rund 13 % mehr Insolvenzen als im Jahr 2022 angemeldet, in Deutschland rund 26,5 % mehr. Für das Jahr 2024 wird eine Verstärkung dieses Trends erwartet, sodass die angemeldeten Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahr um weitere rund 23 % (Österreich) bzw 25 % (Deutschland) zunehmen werden. Grund dafür ist insbesondere das seit 2023 bestehende und voraussichtlich über das gesamte Jahr 2024 anhaltende rezessive Umfeld in Deutschland und Österreich.

Dies bietet einen geeigneten Anlass, um sich mit dem Insolvenzrecht in Österreich und Deutschland im Vergleich auseinander zu setzen. Diese weisen zahlreiche Ähnlichkeiten auf, zugleich gibt es Unterschiede in den Begrifflichkeiten, den Verfahrensarten, dem Ablauf und insbesondere bei den Voraussetzungen einer Restschuldbefreiung, die letztlich das zentrale Ziel insolventer Schuldner ist. Beide Länder haben ihre rechtlichen Grundlagen in der jeweiligen Insolvenzordnung. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, Schuldnern die Möglichkeit eines Neustarts zu geben und Gläubiger möglichst gerecht zu befriedigen. Von Melina Jenkner und Dorian Schmelz

2. Insolvenzverfahren in Österreich

2.1 Verfahrensarten

In Österreich wird das Insolvenzverfahren von Unternehmen in zwei Hauptkategorien unterteilt: das Konkursverfahren (§ 188 IO) und das Sanierungsverfahren.

Während das Konkursverfahren darauf abzielt, das Vermögen des Schuldners zu liquidieren, um die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, steht beim Sanierungsverfahren die Rettung und Weiterführung eines Unternehmens im Vordergrund. Das Sanierungsverfahren unterteilt sich weiter in zwei Varianten:

  1. Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (§§ 166–168 IO): Hier wird die Kontrolle über das Vermögen des Schuldners vollständig einem Masseverwalter übertragen. Dieser übernimmt die Geschäftsführung und ist für die Umsetzung eines Sanierungsplans verantwortlich. Der Schuldner selbst hat keine Verfügungsmacht mehr.

  2. Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (§§ 169–179 IO): Diese Variante erlaubt dem Schuldner, unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters weiterhin über sein Vermögen zu verfügen. Voraussetzung ist, dass bereits vor der Verfahrenseröffnung ein Sanierungsplan vorgelegt wird, der die Rückzahlung von mindestens 30 % der Schulden innerhalb von zwei Jahren vorsieht. Diese Form der Eigenverwaltung wird nur bewilligt, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der Schuldner die Geschäfte ordnungsgemäß führen kann und keine Gefährdung der Gläubigerinteressen besteht.

Das Konkursverfahren dient hingegen der geordneten Abwicklung von Vermögen, wenn eine Sanierung nicht mehr möglich oder sinnvoll ist. Die Vermögenswerte des Schuldners werden verkauft, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Das Konkursverfahren ist vor allem für Unternehmen relevant, deren wirtschaftliche Lage keine Aussicht auf Fortführung bietet.

Für natürliche Personen ohne Unternehmen greift das Schuldenregulierungsverfahren (§§ 181–192 IO) ein, auch bekannt als Privatkonkurs.

Internationale Insolvenzen werden durch die Vorschriften der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) geregelt. Diese Verordnung legt fest, welches nationale Insolvenzrecht in grenzüberschreitenden Fällen zur Anwendung kommt und wie die Verfahren koordiniert werden. Ziel ist es, sowohl die Interessen der Gläubiger als auch die des Schuldners in einem einheitlichen rechtlichen Rahmen zu wahren.

2.2 Die Insolvenz des Unternehmers

2.2.1 Ablauf

Das Insolvenzverfahren eines Unternehmers beginnt mit der Einbringung eines Insolvenzantrags, den sowohl der insolvente Unternehmer (bzw die Geschäftsführung einer juristischen Person) stellen kann, als auch Gläubiger des Unternehmers, wobei das Landesgericht sachlich zuständig ist.

Der Antrag auf Eröffnung muss unverzüglich gestellt werden, sobald Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) oder Überschuldung (§ 67 IO) vorliegt. Eine Verzögerung des Antrags kann erhebliche rechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen Personen haben, einschließlich einer persönlichen Haftung des untätigen Unternehmers (bei juristischen Personen: des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Organs) oder einer strafrechtlichen Verantwortung.

Nach Einreichung prüft das zuständige Gericht die Zulässigkeit des Antrags sowie die Erfüllung der Eröffnungsvoraussetzungen. Das Verfahren wird durch die Veröffentlichung eines Edikts (§ 74 IO) in der Ediktsdatei bekanntgegeben. Diese öffentliche Bekanntmachung informiert Gläubiger über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und enthält wesentliche Informationen wie den Verfahrensstatus (Sanierungs- oder Konkursverfahren) und die Fristen zur Anmeldung von Forderungen. Gerade Unternehmern, die im geschäftlichen Verkehr regelmäßig Forderungen gegenüber anderen Unternehmern begründen, empfiehlt sich eine regelmäßige Einsicht in die Ediktsdatei, um Insolvenzen ihrer Schuldner rasch zu erkennen und Forderungen fristgerecht anmelden zu können.

Ein entscheidender Punkt bei Insolvenzeröffnung ist die Sicherstellung der Verfahrenskosten: Ist die vorhandene Insolvenzmasse nicht ausreichend, um die Verfahrenskosten zu decken, kann das Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verweigern. Dem Schuldner sind dann die Vorzüge des Insolvenzverfahrens, insbesondere der bloß quotenmäßigen Schuldentilgung mit Restschuldbefreiung, verwehrt. Zudem kann die mangelnde Aufbringung der Verfahrenskosten gewerberechtlich unangenehme Folgen haben: Denn die mangelnde Fähigkeit, (selbst) die Kosten des Insolvenzverfahrens sicherstellen zu können, kann Zweifel an der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden aufkommen lassen, sodass die Gewerbeberechtigung behördlich entzogen werden kann.

Im Verfahren wird zwischen verschiedenen Gläubigergruppen unterschieden, wie Aussonderungs-, Absonderungs-, Masse- und Insolvenzgläubigern. Jede Gruppe hat spezifische Rechte und Rangfolgen, die im Verfahren berücksichtigt werden. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Gläubiger- bzw Forderungskategorien ist im Einzelfall mitunter diffizil.

2.2.2 Das Sanierungsverfahren

Das Sanierungsverfahren ist darauf ausgelegt, zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen zu retten und deren Fortbestand zu sichern. Es kann aus Gründen der Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO), der Überschuldung (§ 67 IO) sowie bei juristischen Personen der drohenden Zahlungsunfähigkeit bei juristischen Personen (§ 167 Abs. 2 IO) beantragt werden.

Voraussetzung für die Einleitung eines Sanierungsverfahrens ist die Vorlage eines Sanierungsplans. Dieser muss die Verpflichtung enthalten, mindestens 30 % der Schulden innerhalb von zwei Jahren zu tilgen. Der Sanierungsplan wird den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt und erfordert die Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger.

Wird der Sanierungsplan von den Gläubigern und dem Insolvenzgericht bestätigt, bleibt der Schuldner grundsätzlich handlungsfähig, allerdings unter der  Aufsicht eines gerichtlich bestellten Sanierungsverwalters (Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung). Dieser überwacht die laufenden Geschäfte, prüft die Realisierbarkeit des Sanierungsplans und berichtet regelmäßig dem Gericht. Sollte der Schuldner gegen die Regeln der Eigenverwaltung verstoßen, etwa durch Missbrauch oder Pflichtverletzungen, kann das Gericht die Eigenverwaltung aufheben und die Kontrolle an einen Masseverwalter übergeben.

Dem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung steht ein solches ohne Eigenverwaltung gegenüber. Bei dieser Variante wird die gesamte Verfügungsgewalt über das Vermögen des Schuldners einem Masseverwalter übertragen. Der Masseverwalter übernimmt die Geschäftsführung und verwaltet die Insolvenzmasse, einschließlich der Prüfung und Umsetzung des Sanierungsplans. Masseverwalter sind in der Regel auf Insolvenzrecht spezialisierte Anwälte, die vom Gericht bestellt werden.

Das Ziel des Sanierungsverfahrens ist es, die Gläubiger möglichst umfassend zu befriedigen und gleichzeitig das Unternehmen zu stabilisieren. Sollte der Sanierungsplan nicht genehmigt werden oder scheitern, kann das Gericht das Verfahren in ein Konkursverfahren überführen.

2.2.3 Das Konkursverfahren

Das Konkursverfahren dient der geordneten Abwicklung eines Unternehmens, wenn eine Sanierung nicht möglich oder sinnvoll ist. Es wird eröffnet, wennein Sanierungsplan nicht vorgelegt, wenn er von den Gläubigern oder dem Insolvenzgericht abgelehnt wird oder aber wenn das (genehmigte und eingeleitete) Sanierungsverfahren scheitert.

Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens verliert der Schuldner die Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse, die vollständig auf den gerichtlich bestellten Masseverwalter übergeht. Zentrale Aufgaben des Masseverwalters ist die Sicherstellung und Verwaltung der Insolvenzmasse, die Bewertung und Verwertung der Vermögenswerte sowie die Verteilung des Erlöses an die Gläubiger.

Innerhalb von 90 Tagen nach der Verfahrenseröffnung muss das Gericht entscheiden, ob das Unternehmen fortgeführt oder geschlossen wird. Eine Fortführung ist möglich, wenn das Unternehmen kostendeckend fortgeführt werden kann und dadurch eine bessere Befriedigung der Gläubiger erreicht wird. Andernfalls wird die Liquidation eingeleitet, bei der sämtliche Vermögenswerte des Unternehmens verkauft werden, um die Gläubiger nach Quoten zu befriedigen.

2.3 Die Insolvenz des Nicht-Unternehmers

Für natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben, steht das Schuldenregulierungsverfahren (§§ 181–192 IO) zur Verfügung, das auch als Privatkonkurs bezeichnet wird. Dieses Verfahren ermöglicht überschuldeten Privatpersonen eine Schuldenbefreiung nach Erfüllung eines Zahlungsplans oder Beendigung eines Abschöpfungsverfahrens.

Der Zahlungsplan erlaubt es dem Schuldner, seinen Gläubigern ein Angebot zu unterbreiten, mindestens 20 % der Schulden innerhalb eines vereinbarten Zeitraums zurückzuzahlen. Wird der Plan von den Gläubigern angenommen, kann das Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden. Sollte jedoch keine Einigung auf einen Zahlungsplan zustande kommen, kommt das Abschöpfungsverfahren zum Einsatz. In diesem Fall wird das pfändbare Einkommen des Schuldners über mehrere Jahre hinweg an die Gläubiger verteilt: Der nicht unpfändbare Einkommensteil wird also "abgeschöpft" und an die Gläubiger verteilt. Am Ende dieses Prozesses kann der Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen eine Restschuldbefreiung erhalten.

2.4 Verfahrensdauer

Die Dauer von Insolvenzverfahren in Österreich variiert stark und hängt von der Komplexität des Falls sowie dem gewählten Verfahrenstyp ab.

Ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung kann bei erfolgreicher Umsetzung eines Sanierungsplans innerhalb von zwei bis drei Jahren abgeschlossen werden. Konkursverfahren hingegen dauern in der Regel mehrere Monate bis zu mehreren Jahren, abhängig von der Größe des Unternehmens und der Anzahl der Gläubiger. Bei natürlichen Personen, die ein Schuldenregulierungsverfahren durchlaufen, beträgt die Wohlverhaltensphase für eine Restschuldbefreiung fünf bis sieben Jahre.

Komplexe Insolvenzverfahren können erhebliche Zeit in Anspruch nehmen: Die Insolvenz der ALPINE Bau GmbH wurde im Jahr 2013 eingeleitet und bis heute nicht vollständig abgeschlossen.

3. Insolvenzverfahren in Deutschland

3.1 Verfahrensarten

In Deutschland wird zwischen dem Regelinsolvenzverfahren (§§ 1 ff. InsO) und dem Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304–311 InsO) unterschieden. Spezialformen stellen die Nachlassinsolvenz (§§ 315–331 InsO) und das Schutzschirmverfahren dar: Hier kann der Schuldner unter Eigenantrag und mit einem Insolvenzplan das Unternehmen sanieren.

Das Regelinsolvenzverfahren repräsentiert den Standardfall der Insolvenz und räumt selbstständigen Personen (Unternehmern und Freiberuflern) die Möglichkeit ein, sich von ihren Schulden zu befreien. Das Verbraucherinsolvenzverfahren hingegen findet ausschließlich auf überschuldete Privatpersonen Anwendung und ermöglicht diesen die Möglichkeit eines Neuanfangs. Der Schuldner selbst hat dabei keine Wahl, welches Verfahren er führt, denn das Regel- und das Verbraucherinsolvenzverfahren schließen sich abhängig von der rechtlichen Einordnung des Schuldners gegenseitig aus.

Das internationale Insolvenzverfahren wiederum wird in §§ 335 ff. InsO sowie Art. 102 EGInsO geregelt.

3.2 Regelinsolvenz

3.2.1 Ablauf

Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist beim zuständigen Amtsgericht, welches sich nach dem Sitz des Schuldners richtet, zu stellen. Der Antrag kann durch den Schuldner selbst als Eigenantrag oder durch einen Gläubiger als Fremdantrag gestellt werden.

Den Schuldner trifft abhängig von dem einschlägigen Eröffnungsgrund die Verpflichtung, binnen einer bestimmten Frist die Eröffnung zu beantragen, denn das Überschreiten der Frist kann zu einer Strafanzeige sowie zu einer persönlichen Haftung der vertretungsbefugten Organe (z.B. GmbH-Geschäftsführer) führen. Die grundlegenden Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), Überschuldung (§ 19 InsO) und die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO, nur auf Eigenantrag).

Für Unternehmen spielt gerade die Überschuldung eine besonders große Rolle, da diese vorliegt, wenn die Schulden des Unternehmens die Vermögenswerte übersteigen und keine positive Fortbestehensprognose nach § 19 Abs. 2 InsO zu erwarten ist. Diese Prognose wird auf der Grundlage eines Unternehmenskonzepts und eines Finanzplans erstellt und vorgelegt.

Das Gericht überprüft, ob die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen und eröffnet sodann das Insolvenzverfahren. Die Eröffnung erfolgt durch den Beschluss, in welchem das Gericht auch den Insolvenzverwalter bestellt und weitere Maßnahmen zur Durchführung des Verfahrens anordnet. Auch im deutschen Insolvenzverfahren ist die Deckung der Verfahrenskosten essenziell. Denn wenn die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens durch das Schuldnervermögen nicht gedeckt werden können, wird der Antrag durch das zuständige Gericht mangels Masse abgewiesen (§ 26 InsO).

Wurde das Verfahren eröffnet, werden die Gläubiger durch den bestellten Insolvenzverwalter zur Anmeldung ihrer Forderungen in die Insolvenztabelle aufgefordert. Diese werden sodann im Prüfungstermin geprüft. Die zur Tabelle angemeldeten Gläubiger werden ebenfalls in verschiedene Gruppen mit absteigender Befriedigungspriorität unterteilt. Die InsO unterteilt die Gläubiger in den aussonderungsberechtigten und den absonderungsberechtigten Gläubiger, den Massegläubiger und den nachrangigen Gläubiger.

Das Insolvenzgericht beruft die sog. Gläubigerverssammlung ein, welche als höchstes Organ im Rahmen des eröffneten Verfahrens die Funktion wahrnimmt, über den aktuellen Stand zu informieren und wichtige Verfahrensfragen zu entscheiden. Der Insolvenzverwalter kann mit dem Instrument der Insolvenzanfechtungen Vermögen zurückfordern und durch die Wiederaufnahme von Aktiv- und Passivprozessen (§§ 85, 86 InsO) durch Verfahrensfortführungen die Insolvenzmasse erhöhen.

Nach der Forderungsanmeldung und Vermögensversilberung wird das Massevermögen an die Gläubiger - in der Regel im Verhältnis ihrer angemeldeten Forderungen zueinander, also quotenmäßig – ausgekehrt, welche ihre Forderungen auch vorab zu der Tabelle angemeldet haben. Verbleibende Restforderungen können grundsätzlich durch die Gläubiger nach endgültigem Abschluss des Verfahrens auf dem normalen Klageweg wieder geltend gemacht werden. Der Schuldner kann hingegen auch eine Restschuldbefreiung beantragen, wonach der Schuldner nach der Vermögenswertung und dem Begleichen der offenen Gläubigerforderungen von seinen restlichen Schulden befreit wird, welche bis zum Abschlusstermin nicht beglichen werden konnten. Nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden Schulden, welche erst im Laufe der Insolvenz entstanden sind. Voraussetzung für den Erlass der übrigen Schulden nach dem Abschluss des Verfahrens ist, dass der Schuldner seinen Mitwirkungspflichten nachkommt. Hat der Schuldner binnen der vergangenen zehn Jahre bereits eine Restschuldbefreiung erlangt oder wurde binnen der vergangenen fünf Jahre wegen einer nicht unerheblichen Insolvenzstraftat verurteilt, wird der Antrag abgelehnt.

3.2.2 Schutzschirm

Das Schutzschirmverfahren stellt eine wichtige Möglichkeit für Unternehmen dar, noch vor Beantragung einer Insolvenz eine Unternehmenssanierung vorzunehmen. Das Unternehmen hat innerhalb des Schutzschirmverfahrens einen Sanierungsplan zu entwerfen und diesen umzusetzen, ohne dass die Gläubiger ihre fälligen Forderungen vollstrecken können. Der Schuldner verwaltet sein Vermögen weiterhin eigenständig, in der Regel mithilfe eines Sanierungsberaters. Scheitert des Schutzschirmverfahren, wird es in der Regel in ein Regelinsolvenzverfahren übergeleitet.

3.3 Verbraucherinsolvenz

Das Verbraucherinsolvenzverfahren verläuft in großen Teilen wie das Regelinsolvenzverfahren. Es erstreckt sich ausschließlich auf natürliche Personen, welche im Sinne der Insolvenzordnung als Verbraucher bezeichnet werden, solange sie keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgehen. Außerdem findet es dann ausnahmsweise auf ehemals Selbstständige Anwendung, wenn sie zum Zeitpunkt der Eröffnung weniger als 20 Gläubiger haben und dabei keine der Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis stammt.  Der wichtigste Unterschied zur Regelinsolvenz besteht in dem Erfordernis, vor der eigentlichen Antragstellung den Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung ohne Erfolg unternommen zu haben (§ 305a InsO).

Eine weitere Besonderheit des Verbraucherinsolvenzverfahrens liegt in der Restschuldbefreiung. Diese muss gemeinsam mit oder unmittelbar nach dem Eröffnungsantrag beantragt werden. Die Restschuldbefreiung wird im Rahmen der Verbraucherinsolvenz erst nach Einhaltung einer dreijährigen Wohlverhaltensphase gewährt. Diese Phase beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und führt zu verschiedenen Verpflichtungen des Schuldners. Hält sich der Schuldner im Rahmen der dreijährigen Wohlverhaltensphase an alle Auflagen und Bestimmungen, wird er von den verbleibenden Schulden befreit.

3.4 Verfahrensdauer

Die Dauer eines Regelinsolvenzverfahrens beträgt in der Regel ein bis drei Jahre, wobei sich die konkrete Dauer nach der Komplexität und dem Umfang des Verfahrens richtet. Insbesondere bei großen und vielseitigen Unternehmen kann die Dauer auch über drei Jahre betragen.

Für Verbraucherinsolvenzverfahren gilt seit dem 01.10.2020 eine Verfahrensdauer von drei Jahren, während sie vorher sechs Jahre betrug. Für eine Insolvenzantragstellung zwischen dem 17.12.2019 und 30.09.2020 gilt eine Übergangsregel. Nach Ablauf der drei Jahre kann bei einem positiven Verfahrenshergang eine Restschuldbefreiung erfolgen. Ausnahmsweise kann dieser Zeitraum auch auf zwei Jahre reduziert werden, wenn der Schuldner binnen dieser zwei Jahre mindestens 35 % der Schulden zuzüglich der angefallenen Verfahrenskosten beglichen hat.

4. Zusammenfassende Gegenüberstellung

Die Insolvenzverfahren in Deutschland und Österreich weisen zunächst ähnliche Grundstrukturen auf, was darauf zurückzuführen ist, dass beide Verfahren auf den europäischen Grundprinzipien des Insolvenzrechts beruhen. Parallelen lassen sich dabei insbesondere in den groben Verfahrenszügen, den Insolvenzgründen und der Aufteilung der Insolvenzgläubiger finden.

Während das deutsche Verfahren zwischen dem Regel- und dem Verbraucherinsolvenzverfahren unterscheidet, wird im österreichischen Recht zwischen dem Sanierungs- und dem Konkursverfahren differenziert. Beide nationalstaatlichen Rechte ermöglichen dem Schuldner eine Antragstellung bereits wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person. Auch die Option einer Restschuldbefreiung besteht in beiden Ländern, folgt dabei aber verschiedenen Voraussetzungen.

Der größte Unterschied zwischen dem österreichischen und dem deutschen Insolvenzverfahren besteht folglich nicht im grundsätlzlichen Aufbau und der Struktur der Insolvenzverfahren, sondern vielmehr in den Bezeichnungen und der Einordnung einzelner Schritte sowie den Voraussetzungen, welche nach dem jeweils anwendbaren Gesetz einzuhalten sind, im Detail.

Liegt ein Fall grenzüberschreitender Insolvenzen vor, hat sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner auf die Besonderheiten der einzelnen Länder zu achten. Insbesondere stellt sich die Frage, welches Recht anzuwenden ist, um den richtigen und rechtzeitigen Verfahrensablauf zu wählen und die wesentlichen Schritte einzuleiten. Das Versäumen von Fristen führt jedenfalls in beiden Ländern zu erheblichen Haftungsrisiken und strafrechtlichen Folgen, sodass eine rechtliche Expertise auf Gläubiger- und Schuldnerseite in jeden Fall empfehlenswert ist.

5. Wir helfen Ihnen weiter

Ihr Unternehmen befindet sich in einer wirtschaftlichen Lage, die einen Reorganisationsbedarf nahelegt? Möglicherweise befinden Sie sich bereits in Insolvenznähe? Zögern Sie nicht, rasch Kontakt mit uns aufzunehmen. Für die Anmeldung der Insolvenz bestehen enge zeitliche Fristen, deren Überschreitung zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

 

 

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