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Mietzinsdeckel

1. Auf den Punkt gebracht

Die Bundesregierung plant, die Anpassung bestimmter Mietzinsformen - die insgesamt etwa 75 % aller Mietverhältnisse in Österreich betreffen - an die Teuerung mit gesetzlich zu deckeln. Das kann kurzfristig einen Inflationsdämpfenden Effekt haben. Erfahrungswerte, die zuletzt in Deutschland gesammelt werden konnten, zeigen jedoch langfristig schädliche Auswirkungen derartiger Deckelungen sowohl auf das Zinsniveau, als auch auf die Wohnqualität, auf. Von Latifah Ogidan und Dorian Schmelz.

2. Problemstellung

In Anbetracht der seit dem Jahr 2021 eingreifenden, hohen Teuerungsraten stand diesen Sommer bei bis zu 140.000 Haushalten in Österreich die vierte Mieterhöhung in 15 Monaten an. Die automatische oder faktische Inflationsanpassung von breitenwirksamen Preisen - sei es Mietzins, seien es Löhne - trägt ihrerseits zu einer weiteren Steigerung der Inflation bei. Dadurch entsteht ein vermeintlich nur schwer zu durchbrechender Teufelskreislauf.

Um hiergegen einzuwirken, einigte sich die Bundesregierung Ende August auf einen Mietpreisdeckel. Am 30.08.2023 ist ein Antrag mehrerer Abgeordneter betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Linderung der Inflationsfolgen bei den Wohnkosten das Mietrechtsgesetz ("MRG"), das Richtwertgesetz ("RichtWG") und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ("WGG") geändert werden, eingebracht worden ("3. MILG"). Der vorliegende Artikel wirft im Folgenden einen Blick auf die beabsichtigte Neuregelung des österreichischen Mietrechts, wobei anzumerken ist, dass die Neuregelungen ihres Beschlusses im Parlament harren und Änderungen noch möglich sind.

3. Aktuelle Rechtslage

Vorab eine kurze Einführung in das System der Mietzinsbegrenzung nach dem MRG, die erforderlich ist, den nunmehr diskutierten Mietzinsdeckel zu verstehen:

Wenn eine Wohnung dem Anwendungsbereich des MRG unterfällt, kann die Höhe der Miete entweder in Form des Richtwertmietzinses, des Kategoriemietzinses oder des angemessenen Mietzinses mehr oder weniger strengen Beschränkungen der Mietzinshöhe unterliegen. Dabei gelten folgende Grundsätze: Für Altbauwohnungen, deren Mietvertrag zwischen dem 1.1.1982 und dem 28.2.1994 unterzeichnet wurde, gilt das System des Kategoriemietzinses. Der Zins für Wohnungen, die nach dem vorgenannten Zeitpunkt angemietet wurden, wird anhand des Systems des Richtwertmietzinses reguliert. Für zahlreiche andere Bestandobjekte gilt das Höchstmaß des angemessenen - also marktüblichen - Mietzinses, etwa für Geschäftsräume oder Wohnungen der Kategorie A oder B, die eine Nutzfläche von mehr als 130 m2 aufweisen.

Der Richtwert ist keine starre gesetzliche Obergrenze, sondern ein zeitlich dynamischer Betrag, der für die "mietrechtliche Normwohnung" festgesetzt wird. Dies ist eine Wohnung der Kategorie A mit einer Größe zwischen 30 m2 und 130m2 in einem gut erhaltenen Gebäude und in durchschnittlicher Lage. Zu den allgemeinen Richtwerten kommen für die jeweilige Wohnung geltende Zu- oder Abschläge für die Wohnumgebung, die Lage im Haus, die Wohnungsausstattung, den Erhaltungszustand des Hauses und die Gemeinschaftseinrichtungen hinzu.

Der dem MRG unterliegene Mietzins darf ex lege - vereinfacht ausgedrückt - anhand des Verbraucherpreisindex 2020 unter Berücksichtigung einer fünfprozentigen Schwelle wertangepasst werden. Mit anderen Worten sind Vermieter nach der aktuellen Rechtslage jederzeit - auch unterjährig und allenfalls mehrfach pro Jahr - dazu berechtigt, den Mietzins wertanzupassen, sofern das Preisniveau unter Anwendung des Verbraucherpreisindex 2020 eine Veränderung von mehr als 5 % erfahren hat.

4. Geplante künftige Rechtslage

4.1 Gesetzliche Anpassungen

Die Neufassung der gesetzlichen Vorschrift des § 16 Abs 6 MRG wird zukünftig die Erhöhung der Richtwertmieten, Kategoriemieten und Mieten im öffentlichen Wohnbau auf maximal 5 % pro Jahr begrenzen und ausschließlich mit 1. April eines jeden Jahres vorgenommen werden dürfen. Damit soll ein Großteil der in Österreich vorzufindenden Mieten nicht mehr als 5 % jährlich ansteigen können, auch wenn die Inflationsrate über diesem Niveau liegen sollte. Zusätzlich soll die Berechnung der Mieterhöhung nicht mehr auf Grundlage der jährlichen Inflation, sondern der durchschnittlichen Inflation der vergangenen drei Jahre erfolgen, was zu einer Glättung der Wertänderung und einer langsameren Wertanpassung führen soll.

Vergleichbar angepasst werden sollen Bestimmungen des RichtWG und des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes ("WGG"), um die höhenmäßige Begrenzung der verschiedenen Mietzinsarten sinngemäß auszugestalten.

Sowohl das MRG als auch das RichtWG und das WGG sollen klarstellen, dass die neuen Regelungen für die Zukunft gelten und bereits vorgenommene Valorisierungen unberührt bleiben.

4.2 Verfassungsrechtlicher Hintergrund

Die Regulierung der Mietzinshöhe im Allgemeinen und deren nicht mehr volle Anpassung an die Inflation im Besonderen stellt tiefgreifende Eingriffe sowohl in die Vermögensrechte von Immobilieneigentümern, als auch in den Markt dar.

Das ist wohl auch dem Gesetzgeber bewusst, beabsichtigt dieser doch, weite Teile des 3. MILG in Verfassungrang zu heben, wenngleich die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen bei dogmatischer Betrachtungsweise keinen engen Konnex zur österreichischen Verfassung aufweisen. Der Gesetzgeber bezweckt vielmehr augenscheinlich, die angestrebten Gesetzesänderungen faktisch einer Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof zu entziehen, der Gesetze in Verfassungsrang nur mehr dahingehend überprüfen darf, ob Grundprinzipien unserer Verfassung verletzt werden.

4.3 Wie viele Wohnungen werden von den oben genannten Gesetzen erfasst?

Laut Angaben der Bundesregierung sollen die vorgeannten Regelungen rund 75 % aller Mietverhältnisse in Österreich erfassen. Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf nicht erfasst wird insbesondere der weder dem MRG, noch dem RichtWG und dem WGG unterliegende (frei finanzierte) Neubau.

5. Mögliche Auswirkungen der Mietzinsdeckelung auf den österreichischen Immobilienmarkt

5.1 Argumente der Befürworter eines Mietzinsdeckels

Einer der Hauptvorteile der Mietpreisregulierung kann darin bestehen, dass sie den Wohnraum für Einzelpersonen und Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen - jedenfalls kurzfristig - erschwinglicher macht. Mietzinsdeckel wie der in Österreich geplante begrenzen den Betrag, um den Vermieter die Mieten erhöhen können, und verhindern so schnelle und steile Mietsteigerungen. Diese Stabilität ermöglicht es Mietern, besser zu haushalten, und verringert das Risiko einer unsicheren Wohnung.

Eine Mietpreisregulierung wird häufig auch als Mittel zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit angesehen. Umgekehrt steht zu Bedenken, dass der geplante Mietzinsdeckel nicht auf die soziale Bedürftigkeit eines Mieters abstellt, sondern auf die auf das Mietobjekt anwendbare Rechtsgrundlage, also bspw darauf, ob ein Altbau mit einer Mehrzahl an selbstständig bewohnbaren Objekten vorliegt und daher das MRG anwendbar ist.

Letztlich kann eine effektive Mietpreisregulierung den Mietern ein Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit geben. Die Gewissheit, dass ihre Miete nicht plötzlich in die Höhe schießen wird, ermöglicht es Mietern, langfristig zu planen und sich an ihrem Wohnort eher zu integrieren, als wenn oftmalige Umzüge aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus erforderlich sind.

5.2 Argumente der Gegner eines Mietzinsdeckels

Einer der größten Nachteile der Mietpreisregulierung ist ihre Eignung, das Angebot an Mietwohnungen zu verringern. Wenn Vermieter nicht in der Lage sind, marktübliche Mieten zu verlangen (im konkreten Fall: weil sich das Mietniveau im Allgemeinen von einer nicht vollständig indexierten Miete im konkreten Einzelfall entfernt, indem es schneller ansteigt), haben sie weniger Anreize, in den Neubau von Immobilien zu investieren. Mit der Zeit kann dies zu einem Mangel an Mietwohnungen führen. Ob diese Folge konkret einzutreten droht, hängt maßgeblich davon ab, ob auch Neubauten - die in Österreich außerhalb des geförderten Wohnbaus dem System des freien Mietzinses unterfallen - von der Mietpreisbremse erfasst werden oder nicht.

Mietzinsdeckel können außerdem zu einer Verschlechterung der Wohnqualität führen. Vermieter müssen Instandhaltung und Reparaturen aufschieben, insofern deren Finanzierbarkeit mangels adäquater Mietzinseinnahmen nicht mehr gegeben ist. In politischen Systemen mit rigiden Mietzinsbegrenzungen war in der Vergangenheit langfristig eine Abnahme der Wohnqualität durch hintangehaltene Sanierungsmaßnahmen festzustellen.

Nicht ganz so evident wie obgenannte Folgen sind einige andere Konsequenzen:

  • Die Regulierung des Mietzinses in Form einer Deckelung der Wertanpassung kann mittel- und langfristig zu einer ineffizienten Zuweisung von Wohnungraum führen. In Situationen, in denen die Mieten kontrolliert werden, sind Mieter weniger geneigt, umzuziehen, selbst wenn sich ihre Wohnbedürfnisse ändern, da sich das Marktniveau neuer Mieten und die Höhe einer nicht vollständig an die Inflation angepassten Altmiete auseinander entwickeln. Diese ineffiziente Zuweisung von Wohnraum kann zu unzureichend genutzten Wohneinheiten führen, etwa weil Personen weiterhin größere Wohnungen bewohnen, auch wenn ihre Kinder ausgezogen sind, oder an einem Ort bleiben, der nicht mehr günstig ist, einfach weil der Altmietvertrag wirtschaftlich attraktiver ist als ein Neumietvertrag über eine sachlich besser geeignete Immobilie. Dieser Effekt ist bereits in den letzten Jahrzehnten in einem engen Bereich der Mietwohnungen festzustellen gewesen - man denke an große Altbauwohnungen zum Friedenszins, in denen letztlich ein Pensionist(enpaar) lebt -  und würde sich durch die Einführung eines Mietzinsdeckels vermutlich ausweiten.
  • Die Mietpreisregulierung kann die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt verringern. Wenn Mieter einen sicheren Wohnsitz zu kontrollierten Mieten haben, sind sie weniger geneigt, in andere Gebiete umzuziehen, um dort Arbeit zu finden. Diese eingeschränkte Mobilität kann die Flexibilität der Arbeitskräfte und damit auch das Wirtschaftswachstum nachteilig beeinträchtigen.

  • Eine Mietpreisregulierung kann Marktsignale verzerren, indem sie verhindert, dass sich die Mieten an Veränderungen bei Angebot und Nachfrage anpassen. Für Marktteilnehmer, einschließlich der selbst Wohnraum schaffenden Gebietskörperschaften, wird es schwerer, zeitnah den Bedarf an erweitertem oder eingeschränktem Wohnraum zu erkennen, um durch zunehmende oder abnehmende Bautätigkeit auf das Preisniveau des Immobilienmarkes zielgerichtet Einfluss nehmen zu können.

5.3 Praxiserfahrungen aus Deutschland

Bereits 2015 wurde in Deutschland die sogenannte Mietpreisbremse eingeführt. Gesetzlich geregelt wurde sie u.a. in § 556d BGB. Die Regelung bestimmt, dass bei Bestandswohnungen im Fall einer Weitervermietung die zulässige Miete auf höchstens das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete (sogenannter qualifizierter Mietspiegel) zuzüglich zehnprozentigem Aufschlag angehoben werden darf. Die Landesregierungen werden hierbei ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Die Idee, die hinter der staatlichen Regulierung steht, ist Folgende: Das Wohnen in diesen Städten sollte auch für Durchschnitts- und Geringverdiener erschwinglich gemacht werden.

Doch hat die Mietpreisbremse den Anstieg der Mieten tatsächlich gebremst? Jein. Zwar konnte kurzfristig eine leichte Dämpfung des Mietenniveaus festgestellt werden, längerfristig traten die intendierten Efffekte aber nicht ein. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Sie liegen darin, dass die Regelungen wegen des Regel-Ausnahme-Prinzips und den Ausnahmen von den Ausnahmen für Mieter wie Vermieter für viele betroffene Personen zu kompliziert sind. Außerdem ist die Durchsetzung der Regelungen dem einzelnen Mieter überlassen, der sich auf die Teilunwirksamkeit einer von ihm selbst abgegebenen Willenserklärung berufen kann. Schließlich entsteht zunehmend ein Angebotsdefizit an zeitgemäßem, leistbarem Wohnraum. Wie allseits bekannt, herrscht vor allem in den Metropolen Deutschlands, die in den letzten Jahren großen Zuzug erlebten (München, Hamburg, Berlin, Stuttgart), Wohnungsknappheit, die durch die sinkende wirtschaftliche Attraktivität, Wohnraum zu errichten, weiter verstärkt wird.

Überraschend ist all das für profunde Kenner der deutschen Geschichte nicht: Ein Konzept zur Mietzinsbeschränkung, das Parallelen zu den in Deutschland etablierten und in Österreich geplanten Begrenzungsmodellen hat, bestand bereits zu Beginn des 20sten Jahrhunderts, wobei vergleichbare Ziele wie heutzutage angestrebt, jedoch nicht erreicht wurden.

Aus rein juristischer Sicht stellt der Markteingriff durch den deutschen Gesetzgeber ein verfassungskonformes Vorgehen dar. Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschluss vom 18.7.2019, dass die Mietpreisbremse in Deutschland verfassungsgemäß ist. § 556d Absatz 1 und Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Fassung des Mietrechtsnovellierungsgesetzes vom 21. April 2015 (BGBl I S. 610) ist mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 80 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes vereinbar und daher nicht nichtig.

5.4 Eigene Stellungnahme

Auf Basis historischer Erfahrungswerte sowie allgemeiner ökonomischer Grundsätze besteht unserer Meinung nach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die nachstehend genannten Folgen eintreten, sofern der Mietzinsdeckel in der aktuell geplanten Form eingeführt und effektuiert - also in praxi überhaupt schlagend - wird.

Kurzfristig preisdämpfender Effekt

Jede gesetzliche Entgeltbegrenzung stellt einen staatlichen Eingriff in die freie Marktwirtschaft, die durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, dar. Historische Erfahrungswerte indizieren ebenso wie theoretische Modelle, dass derartige Preiseingriffe kurzfristig das intendierte Ziel einer Dämpfung der Inflation zu erreichen in der Lage sein können, während dieser Effekt bereits mittelfristig nachlässt. Es ist daher ein schwach inflationshemmender Effekt in den kommenden wenigen Jahren zu erwarten; die Österreichische Nationalbank geht davon aus, dass der Mietzinsdeckel die Gesamtinflation im Jahr 2024 um 0,2 % und im Jahr 2025 um 0,1 % absenken wird.

Mittel- bis langfristige Abnahme der Wohnqualität

Nachdem der Einnahmenüberschuss von Vermietern absinkt, sofern letztgenannte sie treffende Preissteigerung nicht vollständig auf Mieter überwälzen dürfen, sinken auch die für Instandhaltungsarbeiten zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen. Vermieter werden vor allem "kosmetische" Sanierungsarbeiten, also solche, die nicht zur Erhaltung einer Immobilie essenziell sind, sondern das "Wohn- und Lebensgefühl" der Mieter fördert, hintanstellen.

In politischen Umfeldern, in denen signifikante Mietenbegrenzungen über längere Zeiträume etabliert wurden, veranlasste die Abnahme der Wohnqualität den Staat wiederum dazu, Förderungen und Subventionen einzurichten, um Sanierungsarbeiten für Vermieter wirtschaftlich darstellbar zu machen. Dies belastet wiederum den Staatshaushalt, der aus den Abgaben der Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen gespeist wird, und führt mittelbar zu einer Mitfinanzierung von Wohnraum durch die Gesamtheit der Abgabenpflichtigen.

Mittel- bis langfristige Verknappung des Wohnraums

Wohnraum stellt ein basales Gut dar; mehr oder weniger jeder Mensch benötigt es, um ein im Sinn der Maslow'schen Bedürfnispyramide auf unterster Ebene angeordnetes Bedürfnis zu befriedigen. Zugleich ist Wohnraum nicht substituierbar, kann also nicht durch andere Güter ersetzt werden, die die angestrebten Ziele ebenso erreichen, ohne den Grad der Bedürfnisbefriedigung nachteilig zu beeinträchtigen (der Umzug unter die Brücke erreicht zwar das Ziel, eine trockene Schlafstätte zu haben, einigermaßen, allerdings auf signifikant niedrigerem Niveau der Befriedigung des im Zentrum stehenden Bedürfnisses).

Kurzum: Die Nachfrage nach Wohnraum wird in den kommenden Jahren - ungeachtet ihrer Beeinflussbarkeit durch demographische Effekte und etwaigen Zuzug aus dem Ausland - mutmaßlich kaum nachlassen.

Anders verhält es sich mit dem Angebot nach Wohnraum: Denn der wirtschaftliche Anreiz, Eigen- und Fremdkapital in die Anschaffung, Instandhaltung und Inbestandgabe von Immobilien zu investieren, sinkt, sofern der Vermieter mit zunehmender Dauer des Mietverhältnisses unter der Prämisse hoher Inflation (also einer solchen, in der der Mietzinsdeckel überhaupt schlagend wird) einen realen Renditeverlust befürchten muss. Dies tritt neben den Umstand, dass der Immobilienmarkt aktuell ohnehin eine deutliche Korrektur erfährt, die insbesondere auf das verhältnismäßig hohe Zinsniveau, regulatorische Unsicherheiten in Bezug auf künftige energetische Sanierungspflichten und die relative Attraktivität anderer Investmentklassen zurückzuführen ist. Eine momentan ohnehin wenig attraktive Assetklasse wird noch weniger attraktiv, was zu einer Verknappung des Wohnraums infolge rückgängiger Bautätigkeit führen kann.

Anpassung des Marktes an geänderte Gegebenheiten

Steht ein verknapptes Angebot einer zunehmenden Nachfrage gegenüber, sind mehrere Adaptionsmechanismen des Marktes denkbar:

Einerseits entsteht ein Verdrängungswettbewerb um den vorhandenen Wohnraum. In Deutschland führt dies zu teilweise skurillen Situationen, in denen sich mitunter einer dreistellige Anzahl von Mietinteressenten um ein und dieselbe Wohnung bemühen und ein regelrechter, mit dem Arbeitsmarkt vergleichbarer Bewerbungsprozess etabliert wird. Dieser begünstigt gut situierte und in geordneten Verhältnissen lebende Personen gegenüber Angehörigen sozial schwacher Gruppen, da letztgenannte als Mieter ein höheres wirtschaftliches Ausfallsrisiko mit sich bringen. Im Ergebnis gelangen wiederum jene Bevölkerungsgruppen an Wohnraum, die ihn sich am ehesten - und tendenziell auch ohne Mietzinsdeckel - leisten könnten.

Andererseits bietet ein signifikantes Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage Anreize für die Bildung von Umgehungsmodellen. Wenn sich eine große Anzahl an Bewerbern um das geringe Angebot an Wohnraum bewirbt, steigt das Risiko, dass bei formal gesetzeskonformem Mietzins Schwarzgeldzahlungen oder sonstige motivierende Leistungen für das Erlangen ersehnten Wohnraums geleistet werden. Dies bevorzugt wiederum - siehe Vorabsatz - Mietinteressenten mit höheren Einkommen, die sich die Leistung von Ablösezahlungen oder sonstigen, über den formalen Mietzins hinausgehenden Leistungen eher leisten können, als sozial schwache Schichten.

Nicht übersehen werden sollte, dass die Attraktivität des Abschlusses unbefristeter Mietverträge aus Vermietersicht weiter absinkt. Darf ein Vermieter bei einem langfristigen Mietvertrag den Mietzins im hoch inflationären Umfeld nicht vollständig an die allgemeine Preissteigerung anpassen, bei Neuabschluss eines Mietvertrags allerdings beispielsweise einen angemessenen, also dem Marktniveau entsprechenden Mietzins verlangen, entstehen implizite Anreize für den Abschluss von Mietverträgen, die einer möglichst kurzen Befristung unterliegen.

Um all diese Effekte abzufangen, wird früher oder später der Staat intervenieren, indem er etwa geförderten Wohnraum priorisiert oder die Errichtung von Wohnraum durch private Investoren fördert. All das belastet wiederum den Staatshaushalt und führt im Ergebnis zu einer Mitfinanzierung von Wohnraum durch die Gesamtheit der Abgabenpflichtigen.

Ausgaben des Staates zur Abfederung der Nebeneffekte von staatlichen Preiseingriffen haben übrigens eine zentrale Auswirkung: Sie befeuern die Inflation. Eine Auswirkung, die ironischerweise gerade von herausragenden österreichischen Ökonomen, und zwar Ludwig von Mises und August von Hayek, erstmals überzeugend aufgezeigt wurde.

Alternative Handlungsmöglichkeiten

Unfraglich: Preise staatlich zu deckeln ist eine einfache Antwort auf eine komplexe Problemstellung und gerade deshalb für viele Menschen reizvoll. Es vermag daher wenig zu überraschen, dass gerade das autokratisch-populistisch geprägte Ungarn zur vermeintlichen Bekäpfung der Inflation im letzten Jahr rasch in die Preisfindung des Marktes eingriff (Die Presse vom 29.11.2022), um Preisobergrenzen sogleich wieder abzuschaffen, nachdem deren Nebenwirkungen spürbar wurden (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.6.2023).

Vielleicht wären andere Handlungsoptionen also eher geeignet, das Ziel leistbaren Wohnraums zu erreichen, als eine Deckelung der Wertanpassung von Mieten. Hierzu könnte ein Universalmietrecht zählen, das die Mietzinsbildung für gleichgelagerte Sachverhalte gleich regelt, unabhängig davon, wann und wie ein Gebäude errichtet wurde. Dies böte die Möglichkeit, die Absurdität der Gegenwart zu beseitigen, dass Vermieter eines in aller Regel mäßigen Charme entfaltenden Nachkriegsbaus einen angemessenen, also marktüblichen Mietzins verlangen dürfen, während Vermieter eines Altbaus, der laufende und kapitalintensive Erhaltungsarbeiten erfordert und zudem üblicher Weise in zentraler und daher begehrter Lage gelegen ist, an den Richtwert gebunden sind. Eine derartiges Bestandrecht auch dazu genutzt werden, befristete Mietverträge zurückzudrängen, indem die Zulässigkeit einer Befristung beispielsweise an einen sachlichen Grund, etwa die von vornherein absehbare Auslandsabwesenheit des Vermieters, gebunden wird. Nebstbei könnte ein klares, transparentes Universalmietrecht auch bewirken, dass dieses für durchschnittliche Mieterinnen und Mieter lesbar und verständlich wird - Eigenschaften, die man dem gegenwärtigen, vielschichtigen und komplexen österreichischen Mietrecht beim besten Willen nicht beimessen kann.

Eine weitere Handlungsoption wäre die Förderung der Schaffung von mehr Wohnraum, sei es durch öffentlichen Wohnbau, sei es durch die Förderung des Neubaus durch private Investoren, indem diesen beispielsweise unter Auflagen niedrig verzinste Darlehen oder staatliche Sicherheiten bei Aufnahme von Fremdkapital gewährt werden. Die Finanzierung seriöser Mieterschutzorganisationen kann dazu helfen, Rechte von im rechtlichen Dickicht oftmals verlorenen Mieterinnen und Mietern effektiv durchzusetzen. Mietenzuschüsse für sozial schwache Menschen würden ebenso zu einer Finanzierung von Wohnraum durch die Allgemeinheit führen, allerdings zielgerichtet und ausschließlich für bedürftige Mieter und Mieterinnen, nicht nach dem Gießkannenprinzip zugunsten weiter Teile der in Mietverhältnissen lebenden Bevölkerung.

Freilich, all das wäre in Anbetracht der politischen Verhältnisse und der sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Hürden unfraglich herausfordernd. Unsere Politik sollte zielführende Ideen aber nicht deswegen verwerfen, weil sie nicht einfach sind.

6. Wir helfen weiter

Wir beraten und vertreten Vermieter ebenso wie Mieter, Hausverwaltungen ebenso wie Bauträger und Investoren. Sollten wir auch Sie in immobilienrechtlichen Belangen unterstützen können, vereinbaren Sie noch heute Ihren Besprechungstermin. 2023 © Schmelz Rechtsanwälte OG

 

 

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